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Die Orgelkomposition

Aus dem vierten Band der Kompositionslehre von Adolph Bernhard Marx - Leibzig 1846

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Streng im Sinne alter Lehrbücher (Marx, Bussler, Lobe, allesamt aus dem 19. Jahrhundert) schrieb ich meine erste Fuge für Orgel zu drei Stimmen in a-moll nieder.

Mit diesem Erstlingswerk stand ich in der Tat in einem sonderbaren Lichte zu den übrigen Schülern der Kom-ponisten-Klasse des Richard-Strauß-Konservatoriums. Man fragte, was ich mir davon verspräche, veraltete Lehrbücher des 19. Jahrhunderts zu studieren, welche der Fortschritt in der Musik längst hinter sich gelassen hatte. Auch der Tod lässt das Leben hinter sich, ant-wortete ich. Sonderlich, sollte man dies Fortschritt heissen. Dem Geiste glorreicher Epochen die Hände reichen: das nenne ich meinen Fortschritt. Ich bin der umgekehrte Totengräber, der nicht zu Grabe trägt, sondern aus Gräbern neues Leben weckt. —

 

Mit unverständigen Blicken quittierten sie meine Rede, als müßte man mich bedauern, an dem neuesten Schauspiele zeitgenössischer Musik mein Heil nicht ge-funden zu haben. Und während das Heer der Neutöner in skurilen Umnachtungs-Tänzen nach dem Scheiter-haufen füt Harmonie und Kontrapunkt schrie, stu-dierte ich unbeirrt die Lehrbücher vergangener Jahr-hunderte, welche mehr Leben in sich bergen, als der vierschrötige Haufen zeitgenössischer Kompost-Arti-sten, welche bei Dux und Comes sofort nach den Bierkisten rufen, sich aus der Verlegenheit zu saufen . . .

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Amadeus Wellenstein
Fuge für drei Stimmen in a-moll

    Mit Marx Kompositionslehre wurde auch ich zum begeisterten Marxisten. Die Mißverständnisse die sich in Gesellschaft ergaben, Marx als einen der führenden Lehrmeister seiner Zeit zu loben, waren an Gaudium nicht zu überbieten. Als man mich fragte, wie ich zum Kommunismus und zu Marx Frage der Arbeiterklasse stehe antwortete ich, in den vier Bänden nichts dergleichen gelesen zu haben, wohl aber über Kontrapunkt und Fuge. Einer dieser schwerhörigen Parzen meinte, in welchem Punkte ich Marx Kontra gebe, gerät er in seinen Schriften doch öfter aus den Fugen. Im Begriff den Witz auf die Spitze zu treiben beugte sich die Bedienung an mein Ohr und sprach: „Sie sind in Bayern. Nur rülpsend verbreiten sich hier keine Mißverständnisse.“  –

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NEPTUN

Zyklus für Orgel
nach der gleichnamigen Bilder-Trilogie
von

AMADEUS WELLENSTEIN

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NEPTUN - Partitur

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NEPTUN - Erstausgabe - 2014 - Spanien

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NEPTUN - Neuauflage

Amadeus Wellenstein
Präludium
Präludium
Fuge f-moll (Ausschnitt)
Der wütende Organist

Spieldauer - 52 min

Rede der Orgel - und Kirchenschwester

Nachdem die unzeitgemäße Musik des Blonden wir vernommen, höre man nun, was der Rest moderner Zeiten für sakrale Orgel kompostierte. Geräuschewirte wie Ligeti, Kagel, Messiaen, wo sich das Vakuum in den Gehirnen sein Vorrecht erstritt, sind nun oben auf. Dissonanzen-Fetischisten, welche nur ein Gedanke vorantreibt: Rache zu nehmen für die Unfähigkeit ihres unfruchtbaren Geistes. Es ist der Aufstand des Ressentiments in der Musik. Die Nullen haben es satt, stets vor der Eins sich beugen zu müssen. Also brüllte die Null, die Eins zu ersetzen, damit der Unterschied einmal für allemal getilgt werde. Nullitäten machten nun Geräusch und riefen: wir sind die neue Eins! Wir sind die neue Musik! Die Eremiten-Kabine, wo man der Null gleich zweimal gedenkt, ward zur Inspirations-Jause ausgerufen, die Geräusche ächzender Blanken auf die Hitlisten der Zeitgenössischen gesetzt. Alles beugte sich nur einem Ziele: daß der Genius der Musik nie wieder in Erscheinung treten möge, die Eins durch die Null aus der Welt geschafft werde.  Die Musik auf den niedrigsten Wert reduziert, der je erreicht worden ist. Den Aufstand der Nullen den neuen Generationen als Fortschritt in die Lehrbücher geschrieben. Die Auflösung, Zersetzung, den Niedergang zum Ziele zeitgenössischer Musik gemacht, Verkrüppelte Klumpen als Bürgen der Zukunft auf die Bühne gebracht. Das Irrsinnige, Widersinnige, Absurde zu Markte getrieben, kreischende Affen mit Ehrenmünzen des Atonalen die Hornhäute geschmückt. Also feiern sie ihre zeitgenössischen Feste und wenn der Philosoph spricht, noch ein Jahrhundert Leser und der Geist selber wird stinken, so ist es bei den zeitgenössischen Tonwirten wie mit den Abwassern der neuen Fabriken: Sie stinken schon seit einem Jahrhundert. Noch ein Jahrhundert und die Natur wird Nasen und Ohren aus der Evolution gestrichen haben . . .

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Nun fragt man sich mit Befremden, warum der Blonde abseits, ja beinahe jenseits den Weg ehrwürdiger Traditionen beschritten, sein Werk "Neptun" allein den Seligen und Auserwählten zu Ohren kam? Traf er auf seinen Wegen nur unvermögende Memmen, Helden auf blechernen Töpfen, Musik-Vandalen, die aus Feigheit sich jeder Mode beugen, an jedem Irrsinn nagen, um nicht das Los der Vereinzelung zu erleiden. Atonale Gruft-Aspiranten, die sich am Enzian besaufen, bis die Dissonanzen aus Nasen und Ohren pfeifen. 

Schielten sie nicht nach dem Blonden, ob er sich endlich der Vernunft beugen, seinem Geiste dissonantes Grunzen abzuringen, in den Refrain der Neuzeit einzustimmen, die Ton-Batzen-Fabrik mit lautem Blech willkommem heißen möge . . . 

 

Die Ton-Batzen-Fabrik

Vom Niedergang des Berufsstandes der Komponisten

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Zeitgenössische Ton-Batzen-Fabrik

​Die Vernichtung der Tradition als neuen Weg preisen, die Lehre der Harmonie gleichsam ausstreichen, um die Formel „zeitgenössische Musik“ einzuläuten, dergleichen ist selbst den dümmsten Jecken nie zu Kopf gestiegen. Unter ihnen würde man die altbekannten Fastnachts-Riten durch zeitgemäße Sülzen sich nicht verderben lassen. Man würde sagen: es mag sein, daß wir verrückt sind, aber das hat seine Grenzen. Der Irrsinn zeitgenössischer Musik hingegen ist grenzenlos. Kein Tänzer wollte dazu das Bein heben, nur die Hunde würden hier aus den Reihen tanzen.

Der Dissonanzen-Express

Man erzählt, zeitgenössische Komponisten einer deutschen Großstadt klagten, ihre Werke seien schlecht versorgt, wobei der harthörige Bürgermeister entsorgt verstand und sogleich sieben Sattelschlepper bereit stellte, die unter dem Namen „Dissonanzen-Express“ durch die Stadt brausten, die Tonnen zeitgenössischer Werke dem Wunsche der Komponisten gemäß zu entsorgen. Die Zeitgenössischen jubelten, als sie den Dissonanzen-Express aus ihren Fenstern erblickten und brachten ihre vollen Werkel-Tonnen, daß man in die Konzertsäle bringen möge, was jeden Hund zu einem öffentlichen Ärgernis verleitet. Als sie den Bürgermeister fragten, wann ihre Ton-Batzen zur Auffüh-rung gebracht werden antwortete dieser: die Bauern müsst ihr fragen, wo die Felder liegen, die zur Morgenstunde eure Werke von sich dampfen . . .

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Der Dissonanzen-Express

 Auszug aus dem Entsorgungs-Register des Dissonanzen-Express:

Olivier Messiaen. "Apparition de l'Eglise éternelle"

 

Schon beim ersten dissonanten Aufbrüllen der Orgelpfeifen muß man nicht lange überlegen: Das ist Musik für den Mann am Presslufthammer. Unweigerlich denkt der Landwirt an die Brechstange, wenn die Tür zum Stall klemmt, der Traktor im Sumpfloch den Motor heulen läßt.  Hier hört man mit Schrecken, was heraus kommt, die Musik-Tradition der Jahrtausende vom Tisch zu wischen, den Niedergang der Musik als Fortschritt einzuläuten, als gälte es mit allen Weltkulturen einmal für allemal abzurechnen. Fünf Takte sollen uns genügen, daß auch der Sägewerks-Besitzer mit nur drei Fingern abzählen kann, was hier aus dunklen Kanälen ans Licht gespült wird.

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Olivier Messiaem  - Aufbrüllen der Orgelpfeifen . . .

Olivier MessiaenApparition de l'Eglise eternelle Takt 1 - 5
00:00 / 00:50

"Messiaen - das ist Musik für meine Ohren."

                           Ryan Jackhammer, Streetworker

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Noch lustiger aber geht Ligeti ans Werk. Im Interview zum Film „György Ligeti – Ich habe ein verrücktes Leben gehabt“ erzählt er: „Ich versuche auf sehr bescheidene Weise in Richtung der hohen Qualität zu gehen, soweit das heute eben möglich ist. Das ist heute schwierig, weil wir die Tonalität nicht mehr haben und wenn wir sie haben, dann lügen wir.“
Er hätte richtiger und gültiger gesagt, daß ihm die Tonalität abhanden gekommen ist und nun als Lüge es em-pfände, wollte er tonal komponieren, hat er doch eine hörenswerte Melodie nie zu Papier gebracht. Seine musikalischen Exkre . . . Pardon! Experimente beweisen nachgerade, daß er nichts zustande brachte, was sich in irgendeiner Weise mit Harmonie und Kontrapunkt vertrüge. Nun spricht er aber nicht, daß es für ihn die Tonalität nicht mehr gibt, sondern daß wir sie nicht mehr haben. Mehr noch: er bezeichnet jene wenigen, noch lebenden Komponisten, die im klassischen Sinne zu komponieren vermögen, als Lügner. denn nur wer zeitgenössisch komponiert ist für Ligeti der Wahrhaftige. Das ist die Pointe seiner atonalen Witze. Und nun kommen seine Scholaren, denen bei der Geburt zwei Nullen auf die Stirn tätowiert wurden und jubeln: Jawohl! Wir Zeitgenössischen sind die Wahrhaftigen. Zeitgenössisch komponieren macht wahrhaftig . . .

 

VOLUMINA
Ligetis wahrhaftes Orgelwerk

Man lasse Spürhunde über die Manuale sakraler Orgeln schleichen, Hasen von Manual zu Manual hüpfen, Pferde in die Pedale treten: jeder Freund des Zeitgenössischen wird sogleich ausrufen: das ist Volumina! Ligeti, das Cluster-Genie! Sogar der Dieb aus Bagdad kann sich hier als Organist beweisen, weil seine Finger gar nicht gebraucht werden. – Die Putzfrau in der Kirche zu Göteborg soll bei den ersten Proben gesagt haben: kann der Rekordputzer (sie meinte den Organisten) die Orgel nicht ausschalten, wenn er die Manuale wischt. Der richtet das Instrument noch zugrunde. Und in der Tat: das Schwellwerk fing Feuer, brannte nieder, weil man in Göteborg die Sicherung der Orgel überbrückte, um einen Kurzschluß während der Proben zu vermeiden. Die Uraufführung, die in Bremen zum Schutz der Orgel zunächst abgesagt wurde, suchte in der Tat ihres gleichen: über die Jahrhunderte hatte noch kein Komponist gefordert, die Manuale mit Fäusten, Ellenbogen, Unterarm und Handkante zu bedienen. Kein Beduine würde seine Kamele treten, wie bei Ligeti die Pedale getreten werden. Nicht auszudenken, der Cluster-Infanterist wäre Arzt geworden. Im harnlosesten Fall hätte er den Irrsinn als Heilmittel empfohlen, seine "Musik" . . .

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Ligeti, der Mann aus dem unlustigen Depressions-Stüberl. Ein Nihilist par exelence, dessen einzige Kunst darin bestand, jeder erfreulichen Wendung in der Musik beharrlich aus dem Weg zu gehen. Hierin war er konsequent bis der Irrsinn ihn zu seinem Leibeigenen erklärte. Als dieser Leibeigene wurde er geehrt, denn die Welt war derart irre geworden, daß nur diejenigen Komponisten Preise erhielten, die diesen Irrsinn mit neuen Werken zu überbieten vermochten.

Hören wir aber, was Ligeti über die Orgel zu sagen hat. Er schreibt: „Dieses Instrument, mit seiner Schwerfälligkeit, Steifheit, Eckigkeit, gleicht einer riesigen Prothese. Es reizte mich herauszufinden, wie man mit dieser Prothese von neuem gehen lernen kann.“ Mit anderen Worten: Orgelmusik ist Prothesenmusik ist Krüppelmusik, Johann Sebastian Bach, als der Eifrigste unter den Krüppeln, die über die Jahrhunderte mit dieser „Prothese“ sich mühten.
Ligeti der Erlöser und Befreier, schafft nun die Krüppel-Tradition der alten Meister ab, um herauszufinden, ob mit der Krücke auch zeitgenössisch sich gehen lernen läßt. Er glaubt, die Orgel müsse von Prothesen-Komponisten wie Bach, Pachelbel, Kindermann entlastet werden, um frei im Raum sich präsentieren zu können.
Über sein befreiendes Werk schreibt er: „Mir schwebte gleichsam eine amorphe (gestaltlose) Musik vor, in der Einzeltöne keine Funktion haben, hingegen Tonhaufen formgebend sind.“ 

Befreites Schach. - Eis ist am Zug.

Man stelle sich vor Augen, ein Reitknecht wollte das Schachspiel neu erfinden und spräche: „Mir schwebt gleichsam eine gestaltloses Spiel vor, in der Einzelfiguren keine Funktion haben, hingegen Figurenhaufen spielentscheidend sind.“ —  Oder der Wurstverkäufer, dem ein neues Fußballspiel in den Sinn kommt, in dem der Ball und das Tor nicht mehr gebraucht werden. — Oder der Bademeister: neue Sprungdisziplin vom Zehn-Meter-Turm entdeckt! Kein Wasser im Becken notwendig (Ihm schwebte eun Schwimmstil vor, bei dem das Wasser keine Funktion meht hat)

Und nun kommen die Leute und staunen: Der Bademeister ist ein Genie! Er hat das Schwimmen revolutioniert . . . Nicht anders revolutionierte Ligeti das Orgelspiel: keine Note kann mehr falsch klingen, weil es keine Noten mehr gibt . . . 

    Was wissen die zeitgenössischen Komponisten vom Glück der Intuition zu berichten? – Nichts! – Wollte man von diesem Nichts auf ihre Werke schließen, wäre ihr Wert bereits entschieden. Darü-ber ließe sich auch nicht streiten, weil über die Null nicht gestritten werden kann. Dieses Nichts aber, in dessen zeitgenössischem Vakuum sich jedes Halb-hirn austoben kann, soll nun die Seligkeit des Schaf-fenden, das überströmende Glück im Gestalten und Erfinden, die Begeisterung an der Intuition, ersetzen. Der kastrierte Haflinger will als zeitgemäßer Zucht-hengst gelten. Eine neue Generation von Komponi-sten soll vor dem Absurden sich verbeugen, die Null als den heiligen Gral anbeten, um endlich mit dem Fett alles Sinnlosen das Blatt auf dem Ort zu be-streichen.
 

 

 

 

 

Die Notenschrift durch wüstes Gekritzel abgeschafft oder wie im Fall Ligeti, durch seltsam gezeichnete Würmer ersetzt, an deren Wenden und Winden der Organist die Musik erraten soll. Es gibt keinen Takt, kein Tempo, keine Noten: man muß die Würmer zählen, um zu erraten, an welcher Stelle man ist, ob mit der Faust, dem Unterarm oder dem Ellenbogen die Manuale bedient werden. Hier redet die „Musik“ zu Maschinen, Getöse für den Werkzeugkasten, Cluster-Geräusche zum Sandstrahlen der Getriebe-teile. Aber schon jubeln die Vertreter der Baumärkte: Volumina jetzt als Zimmer-Tapete! wo neben dem Rindfleisch der Tapezierer das Quantum Irrsinn an die Wand klatschen kann . . .

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"VOLUMINA" 

Kein Takt, kein Tempo, keine Noten: man muß die Würmer zählen . . .

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"VOLUMINA"  als Rauhfaser-Tapete

Das Quantum Irrsinn an die Wand klatschen.

Lassen wir das Cluster-Genie über seine Würmer-Partitur reden. Er schreibt: „Die neue Spieltechnik verlangte nach Ausarbeitung einer neuen, dieser Technik adäquaten Notation. Sie umfasst neben Spielanweisungen auch graphische Zeichen, die nichts mit der herkömmlichen Notation zu tun haben, und sie ist ein präziseres Informationsmittel für die neue Orgeltechnik als das traditionelle Notensystem.“
Richtig! Wer wollte in Noten setzen, wo Unterarme und Hände fünf Oktaven niederdrücken, Handflächen die Tasten wischen, wie die Putzfrau den Kühlschrank, der Ellenbogen ausfährt, frei ins Blaue ein paar Tasten zu treffen, Fäuste und Füße dynamische Cluster abklopfen . . .

Das traditionelle Notensystem spiegelt die Musik, nicht eine Art Ochsensport an der Orgel wieder, bei dem das Gehirn stille steht. Aber damit ist alles erklärt: Ligeti fordert nicht den Intellekt. Das Vieh an den Manualen ist gefragt. Er will den Menschen auf allen vieren an der Orgel begaffen . . .

Ich könnte die schauerliche Psychologie aufdecken, die hinter Volumina steckt. — Warum aber die heiteren Pointen durch Analysen verderben, den lustigen Narren ihr Gaudium kürzen, wenn der Spaß mehr Wert ist, als die Untersuchung wert ist . . .

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Die Ordensschwestern sind entsetzt: Ochse Max weigerte sich, zur Ankunft des Papstes Ligetis Volumina in die Orgel zu treten . . .

Die neue Ligeti-Spiel-Technik für Orgel

„Diese Technik besteht hauptsächlich in mannig-faltigen und differenzierten Strukturierungs- und Ar-tikulationsmöglichkeiten von dichten, chromatisch ausgefüllten Klängen, also von Tonclustern, die so-wohl in unbewegtem Zustand als auch von internen Bewegungen durchzittert, schließlich in globaler Be-wegung oder in kontinuierlichem Auf- und Abbau in die musikalische Form einbezogen werden. Das ist eine der Möglichkeiten, aus dem prothesenartigen, schwerfälligen Mechanismus der Orgel einen über-aus flexiblen Klang hervorzuzaubern, der in seiner Eleganz und Differenziertheit kaum die Grobheit der eingesetzten Mittel erahnen lässt.“

             (Ligeti – gesammelte Schriften S. 311 ff)

Herrlich, wie er den Irrsinn, den Ohne-Sinn, das anti-musikalische Cluster-Desaster beschreibt. Er nennt es „Technik“ mit Handflächen die Tasten im Akkord zu wischen, mit beiden Unterarmen sich auf die Ma-nuale zu stemmen, die Tasten zu kratzen, wie der Hund Fell und Flöhe und redet von „differenzierten Strukturierungs- und Artikulationsmöglichkeiten“. Das ist Karneval der Anstalten, Bütenjux der atonalen Geräusche-Infanterie. Man stürzt sich auf die Manu-ale wie Hausfrauen auf die Wühltische, scheuert die Tasten wie das Waschweib die Hosen durch den Zuber, strammpelt an den Pedalen wie der Säugling, der drei Tage in nassen Windeln liegt. Und nun kommt Ligeti und spricht: ich rieche den „überaus flexiblen Klang, der in seiner Eleganz und Differen-ziertheit kaum die Grobheit der eingesetzten Mittel erahnen lässt.“ Nein, man ahnte nicht, daß der Säugling grob die Windeln torpedierte, weil der Klang elegant und differenziert aus der Schleuse sich ent-faltete. Er glaubt, die Mutter roch es nicht, weil die „Artikulationsmöglichkeiten von dichten, chroma-tisch ausgefüllten Klängen“ nicht erahnen ließen, daß der Säugling grob in die Hosen geclustert hat. Und nun sitzen die Leute in der Kirche, lauschen den flexiblen Klängen ohne zu bemerken, daß mit groben Fäusten an der Orgel gezaubert wird.

Für dergleichen Irrsinn müßten zehn Ärzte der An-stalt neu geschult werden. Dergleichen hat kein Irrenhaus in seinem Repertoire. Wie, mit Ellbogen, Unterarm, Faust und Handflächen wird ein flexibler, eleganter Klang erreicht? Was ist an einem Klang elegant, der durch hacken, schlagen, schmieren, schruppen aus der Orgel nachgerade heraus geprü-gelt wird? Was ist das für ein Zauber, dem jede Spielkunst abgeht und jedes Vieh es hier versuchen kann? Diese Tollhaus-Polonaise kann von jedem Gipser und Kalker zur Aufführung gebracht werden. Bloße Muskelarbeit, während das Hirn stille steht . . .

Alles, was seit Jahrtausenden Musik genannt wird, kommt hier nicht zu Gehör. Melodie, Harmonie, Rythmus, Polyphonie – Nichts! Und dennoch redet der Cluster-Fetischist von Musik. Mehr noch: er schreibt „Akkordik, Figuration und Polyphonie sind verwischt und unterdrückt, bleiben jedoch unterhalb der Klangoberfläche (= Clusteroberfläche) insgeheim wirksam.“ Für ihn gibt es eine Polyphonie unterhalb der Cluster die verwischt und unterdrückt vorhanden ist. Damit will er sagen, man darf nicht alle Töne des Cluster-Klangs hören, man muß differenzieren, dann hört man auch einzelne Stimmen, Akkorde und die Harmonie darunter. Man muß nur versuchen, die richtigen Töne aus dem Clusterhaufen herauszu-hören.

 

Um den Irrsinn Ligetis zu begreifen sei hier ein hilfreiches Beispiel gegeben. Drücken wir mit der Handfläche den Cluster C₁ - C₂ am Klavier. Wir hören gleichzeitig folgende Töne: c-cis-d-dis-e-f-fis-g-gis-a-b-h. Um nun die unterdrückte, verwischte unter der Cluster-Oberfläche verborgene „Akkordik“ wahrzu-nehmen, von welcher Ligeti redet, müssen wir, sofern wir den Akkord in E-Dur zu hören wünschen, bei den übrigen Tönen des Clusters weghören. Wir dürfen also bei c-cis-d-dis-f-fis-g-a-b nicht hinhören auch wenn wir sie hören, sondern müssen unser Ohr auf e-gis-h konzentrieren. Auf diese Weise kön-nen wir lernen, aus jedem Cluster die Akkorde zu entnehmen, die wir zu hören wünschen. Die Kunst liegt allein im richtigen Weghören der unnötigen Clüster-Töne.

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Organist Wambo Wummerer

Stationärer Vier-Oktaven-Unterarm-Cluster

plus dynamischer Doppelbockbier-Zwei-Oktaven-Cluster

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Faust-Praller - Ein-Oktaven-Schwinger-Cluster

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Dynamischer Handflächen-Wischmopp-Politur-Cluster

Die neue Spieltechnik für Orgel oder

der Katastrophen-Alarm

In gleicher Weise können wir die Polyphonie in den Clustern entdecken, indem wir immer nur den Tönen lauschen, die für die Mehrstimmigkeit erforderlich sind und bei den übrigen unser Gehör überreden, daß sie nicht existieren. Wir müssen die Cluster lediglich von den Noten extrahieren, welche nicht in die Akkordik, die Polyphonie und Figuration hineingehören, schon hören wir Fugen, Kadenzen, Präludien, welche unter der Cluster-Oberfläche insgeheim wirksam sind.

Ich erinnere mich bei einem Ärztekongress zur Eröffnung am Klavier gespielt zu haben. Ein Arzt erzähle am Banket von seinen Patienten und sprach: „Wissen sie, wie wir dahinter gekommen sind daß der Mann irrsinnig ist? Beim Lesen seiner Doktorarbeit. Er hat seinen Irrsinn so gut begründet, daß es niemandem aufgefallen ist.“ Nicht anders begründet Ligeti seine „Musik“ . . .

Bleigewichte für statoinäre Cluster

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György Ligeti aus seinem Manuskript für eine Sendung des Bayerischen Rundfunks,

München am 5. November 1962.

"Bei komplizierten Orgelwerken, vornehmlich der ro-mantischen Literatur, war bisher schon die Mitwir-kung eines Registratur-Assistenten neben dem Orga-nisten üblich. Die Rolle des Assistenten wächst bei Volumina nun erheblich, (Das Spiel auf den Register-knöpfen wird gleichberechtigt mit dem Spiel auf den Tasten) doch ist es auch möglich, das Stück allein, ohne Beihilfe, aufzuführen. Die stationären Cluster können nämlich durch geeignete Bleigewichte niedergedrückt und gehalten werden, wodurch die Hände des Organi-sten zur Betätigung der Registerknöpfe frei werden." 

 

​Wir haben richtig gehört: Bleigewichte anstelle der Hände! – Es ist die neueste Spieltechnik an der Orgel: die stationäre Bleigewicht-Technik, die es dem Organi-sten erlaubt, ohne Hände weiter zu spielen. Sind keine Bleigewichte vorhanden, muß das nicht das Ende der spielerischen Freiheit bedeuten. Ist eine Baustelle in der Nähe, holt man sich ein paar Ziegel, kommt die Großmutter vorbei, nimmt man ihr die Einmachgläser ab. Die Bleigewicht-Technik erlaubt dem Organisten eine Vielzahl von Varianten. Natürlich kann auch der Hund auf die Manuale gelegt werden: das fällt bei Ligeti nicht ins Gewicht, wichtig ist nur, daß der Kläffer sich nicht rührt und aus dem stationären Cluster nicht ein dynamischer wird.
Endlich kann er den eigens von mir entwickelten sta-tio
nären
 

      Volltasten-Vier-Manual-Treppen-Clusterhelfer

mit samtbezogener zwanzig Kilogramm schwerer Clu-ster-Bleitreppe und vergoldeten Justier-Griffen verwen-den, um den Maximal-Cluster bei allen gezogenen Re-gistern aus jeder Orgel heraus zu schmettern.


 

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"Die stationären Cluster können durch geeignete Bleigewichte niedergedrückt und gehalten werden."

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Volltasten-Vier-Manual-Treppen-Clusterhelfer

Und keiner, der ein Auge für die Komik zeitgenössischer Musik gehabt und es gewagt hätte, dem atonalen Irrwitz eine Pointe auf die Nase zu stecken. Nein! Sie trinken mit ernsten Mienen aus leeren Flaschen und spekulieren über den Inhalt, — reden vom Grenzgang der Limonade, wo kein Sprudel mehr zu finden ist. —

Da staunten selbst die Ärzte welche dachten, allein ihre Patienten hätten den Kulminationspunkt des Irrsinns überschritten. „Hier draußen“, lachten sie, „ist es noch lustiger als in der Anstalt. Don Quichotte wäre vor Gelächter drei Tage und Nächte nicht aus der Rüstung gekommen, hätten die Grenzgänger der Musik die Müh-len besungen.

Man frage den Barbier von Sevilla: "Ligeti", wird er sagen " – aber das ist ein Fall für El Risitas . . .“

LIGETI

Ein Fall für "El Risitas"

Lilly  Feuerstein liest aus dem Buch von

Rufus Rindfleisch

"György Ligeti

Dissonanzen auf dem Hosenträger"

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"Und ich dachte die Werke des zeitgenössischen Komponisten über den Haufen zu kehren", sprach die Ordensschwester. "Dabei kam der Zeitgenössi-sche selber unter den Besen."

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Epilog

Man trieb einige dem Irrsinn nahe durch Länder und Städte, hieß sie im Fieber dissonanter Umnachtung-Riten lärmen und toben und steckte ihnen Medaillen an die Hüte. Sie zullten, bis der Sargmann sie markierte, erbrachen sich am Euter toter Kühe, und sprachen: die Inspiration stößt uns zwar sauer auf aber wir betreten die neuen Wege der Musik. — Die Irrenhäuser jedoch weigerten sich, das Ziel dieser Wege zu sein, zumal ihre Einrichtungen bis in die letzten Zellen überfüllt waren von grölenden Barden und Banden der Unterhaltungs-Fabriken. Nun laufen sie vom Biertisch zur Schwemme, türmen in ihren „Werken“ den Irrsinn zu neuen Haufen, bis der Sensenmann dem Häufen die große Fermate setzt, der Nachwelt das Pfund zu überlassen, an dem die Historikernasen ihren Spürsinn erproben, die „atonalen Säue“, wie der Bauer das grunzende Mastvieh nannte, in die Geschichtsbücher zu drängen.
 

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Nun — wir hatten unser Gaudium mit allem Zeit-genössischen. Zu unserem Vergnügen ließen wir den Irrsinn passieren. Ein zweifelhaftes Vergnügen in der Tat, sofern man bedenkt, daß die Gegenwart beinahe nichts andres mehr bietet. — Allein die glorreichen Zeiten vergangener Epochen wissen von Weihe und Andacht noch zu reden. Nicht jene Weihen, welche die Kirche zu vergeben hat, als das Unterpfand dem Unter-würfigen, sondern die Segnungen höherer Wesen, die kaum ein Priester je empfangen. — Religion als das Schweben in weihevollen Sphären, die Intuition aus göttlichen Funken (Schiller nannte es Freude) welche dem Geiste Schwingen und leichte Füße verleiht. Wo sind die lebenden Komponisten, die davon noch zu reden wüssten, wo die Glorreichen, die Neptun aus der Taufe gehoben, den Dreizack wider ihre Zeit zu er-heben? Wo sind die Söhne der Göttin Musik? Bleiben zum Troste uns nur noch die Grüfte?  —

Wir fanden nur einen, der seiner Zeit sich widersetzte, als der große Unbekannte und Unbenannte, der über Eis und Hochgebige gleich einem Adler einsam seine Kreise zieht. Er lachte über Ruhm und Ehren der dürftigen Zeiten und sprach: was ist mir der Nimbus da unten, wenn die Aussicht hier oben jede Auszeichnung zum Almosen degradiert. Soll ich mit meinen Werken neben Affen präludieren, die gleich mir die Pokale erhalten? Nein! Mein Werk den Seligen zum Gruße, den fernen, überirdischen Gesellen und heiteren Musen, in deren Höhe Neptun mit den Göttern lacht . .​ .

Aus dem literarischen Hauptwerk "Triumph des Lebens"

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". . . in deren Höhe Neptun mit den Göttern lacht" Weihnacht im Beethoven-Palast
Dibond, Original 180cm x 86cm

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