



Erstauflage 2004

Zweite Auflage - 2008


Neuauflage der Privat-Ausgabe
Amadeus Wellenstein
AUREUM SILENCIUM
Ausschnitte aus dem Album
Spieldauer 50 Minuten



Ich eilte nicht mit der neuen Zeit und sie-he: die alte Welt eilte zu mir. Dies schwer-mütige Glück, worüber meine Musik zu reden weiß, lockt nun die Schweigsamsten, denen die Einsamkeit den Weg durch die Finsternis leuchtet.
Sie selbst schufen sich diese Finsternis, um am Blendwerk der Gegenwart ihre Wege nicht zu verlieren. Man sagt, es sind die Verlorenen und doch sind sie nirgendwo mehr zu Hause als in ihrer Verlorenheit. Wie sollten sie jemals ver-loren gehen. —
Amadeus Wellenstein
Amadeus Wellenstein
LAS CAMPANAS DEL SUR
(Die Glocken des Südens)
Las Campanas del sur
Ausschnitt

. . . die Laune des Tages in Musik setzen . . . Diesmal war es der Süden, der mich die Glocken läuten hieß . . .
Ouvertüre zu Schillers Trauerspiel
Die Räuber


amadeus Wellenstein
Ouvertüre die Räuber
Ausschnitt

Amadeus Wellenstein liest Friedrich Schiller

Friedrich Schiller
Symphonie Nr. I

Ausschnitt aus dem ersten Satz
Andante
Ausschnitt aus dem dritten Satz
Adagio molto
Las ruinas sagradas
semana santa en andalucia
Para orquesta, coro, soprano y tenor

LAS RUINAS SAGRADAS (Die heiligen Ruinen) von Amadeus Wellenstein
Dibond - Original: 160cm x 111cm - Privatbesitz Marbella
Amadeus Wellenstein
LAS RUINAS SAGRADAS
ausschnitte aus dem Requiem
El Toro
La Corida en andalucia
Para orquesta, matador y seguidores.


EL TORO
Nach 20 Jahren zum zweiten Male - dieses Mal in Spanien - mit klassischer Musik gegen den Rest zeitgenössischer Kompo-nisten angetreten. „Premio de composition AEOS“ nennt man den Wettbewerb, wel-cher alle zwei Jahre angekündigt, mit ei-nem stattlichen Preisgeld versehen in be-scheidener Stille ausgetragen wird. Wie sehr mich dergleichen Wettbewerbe inte-ressieren erkennt man schon daran, wie oft beurteilende Kremien meine Partituren zur Ansicht bekommen. Diesmal ließ ich Weihnachten und Nikolaus gleich zwanzig Mal passieren.
Hört man die „Werke“ oder richtiger die musikalischen Experimente, mit denen die Gewinner der letzten Jahre die gelahrten Juroren überzeugten, fällt sofort auf, daß zeitgenossischer Musik, wenngleich nicht vorgeschrieben, zweifellos der Vorrang ein-geräumt wird. Der Vorteil, den herrschen-den Geschmack der Neuzeit der Tradition des klassischen Stils vorzuziehen, begrün-det sich darin, daß allein der Tatsache „stilistischer Anpassung“ bei diesem Wett-bewerb ein nicht unerheblicher Nutzen bei der Bewertung und Einschätzung des Wer-kes zukommt.
Es heißt also auf traditionelle Klassik ver-zichten, gesetzt man beabsichtigt unter die engere Auswahl der mitwirkenden Kompo-nisten gereiht zu werden. In meinem Fall hätte dies bedeutet die Musik zu „El Toro“ erst gar nicht einzureichen oder zumindest alles was darin Form, Stil, Harmonie und Melodie inne hat, dem Geschmack der Zeit und der Juroren zu opfern. Mit anderen Worten: Für die Chance zu gewinnen „El Toro“ kastrieren! —
Nun wäre es aber das Gleiche, als wollte man einen stolzen arabischen Hengste zur Schindermähre abrichten, nur weil im Stall preisgekrönter Pferde nur Schinder-mähren zu finden sind. —
Das Gaudium, an diesem Wettbewerb teil-zunehmen, lag für mich also weniger da-rin, den Pfründen der Siegerehrung hab-haft zu werden, sondern den Schinder-mähren zu verstehen zu geben, daß ara-bische Hengste in Dingen vornehmer Reit-künste durchaus noch ein Wort mitzu-reden haben. Mit anderen Worten: es oblag meiner gehobenen Laune dem Rudel in zeitgenössischen Ton-Fabriken wieder ein-mal Helau und guten Tag zu sagen. Dies tat ich gänzlich unmoralisch wie mich dünkt, denn wenn es heute unmoralisch klingt, über das Mittelmaß der Unvermögenden sich zu erheben, wie kläglich muß es da erscheinen, unter Mittelmäßigen sich mo-ralisch zu erweisen.


Auszug aus der Partitur
"EL TORO"
„El Toro“ steht gänzlich außerhalb der Moden. Dies Werk nimmt keine Rücksicht auf irgendwelche zeitgenössischen Etiketten. Gleichwie der Baum nicht fragt, was heute in der Zeitung steht, so fragt „El Toro“ nicht nach den Geräuschen seiner Zeitgenossen. Hier kein Kind seiner Zeit zu sein, ist in der Tat ein Privileg ohne gleichen, eine Auszeichnung, die den höchsten Wert verdient, zumal das Zeitenlose, an keine Mode sich drängende, von jeher die Zeiten überdauerte . . .

El Toro
Amadeus Wellenstein
Ausschnitt aus dem Orchesterwerk
Originalspielzeit 9 : 33 min
Erschienen 2015 Ronda, Spanien
Rede der stolzen Violinistin
„Mit meinen Partituren werden die Kulturträchtigen wenig im Sinn haben“, sprach Amadeus, „und dennoch wünschen sie, dass ich ihnen Kurzweil biete und ein Spektakel ihren Ohren bereite.“ Die Violinistin antwortete: „Musst du mit deiner Musik für eine Anstellung dich mühen? — Nein. Musst du dein Brot damit erwerben? — Nein. Bist du einem König ein Werk schuldig? — Nein. Mit welchem Recht wollen sie deine Werke hören? Was hörst du von ihnen? — Du hörst ihre Rasenmäher brüllen, ihre Weiber toben, wenn dem Hauswart wieder die Lesung gehalten wird. Du hörst unter ihnen nur wüstes Getöse unbarmherziger Aspekte. Gehe zum Fleischer und frage: dürfte ich um eine Probe ihrer Dampfwürste bitten. Wenn du Glück hast, lässt er dich eine probieren. Also lasse sie einen Takt hören. Besser jedoch, du gibst ihnen nichts und hängst ein paar Würste an ihre Ohren.“
Amadeus lachte und sprach: „Gesetzt, ich hielte fünfzehn Takte meiner besten Musik in der Rechten und fünfzehn Dampfwürste in der Linken, so steht es außer Zweifel, welche Hand sie zuerst schütteln würden. Wem dieses Spiel zur Genüge helle geworden, wird seinen Witz an jede Erwartung hängen, zumal das Gaudium noch jeder Enttäuschung den Abgang verspricht."

Die stolze Violinistin
Portrait Amadeus Wellenstein
„Was gehen uns die Würste der Hanswürste an“, sprach die Violinistin. „Willst du den Bucklichten mit deinen Werken das Kreuz gerade richten, ihre gedunsenen Seelen zu deinen Rythmen zum Aderlass bitten? Allein deine Sprache lässt sie nach dem Stempel rufen, der ihnen den Begriff ‚Bankrott’ auf die Stirntafel drückt. Was willst du unter denen, die zuerst nach deinen Hosen luren, von welchem Schneider du beliefert wirst. Unter ihnen fällt dein heroisches Werk erst dann ins Gewicht, wenn sie in den Unterhaltungs-Blättern lesen, Because hätte auf die Weihe des Palastes ihro Exzellenz dem Kom-ponisten, ein Zehn-Gänge-Menü im Louvre in Aussicht gestellt. Die betrachten dein heroisches Werk bloss als Repräsentantions-Kulisse, ob einem damit der Tisch gut gedeckt werde und wenn man ihnen von geweihter Andacht redet, denken sie an die Rabattmarken, welche sie beim letzten Osterfest an den Opferstock der Kathedrale klebten. Wolltest du vor denen deine Musik laut werden lassen, müsstest du zuvörderst dreißig Sickergruben ausheben, um zu der Vorstellung zu gelangen, was dich zu deinem Konzerte erwartet. —
Willst du zum Sickern vorbestimmtes Leben die Langenweile aus dem Schädel pumpen, der Krätze ‚Eintönigkeit’ linderndes Balsam sein? Nein! — Deine Musik den Freunden und Freundinnen der Musen, den Geweihten und Eingeweihten in seligen Stunden oder willst du auch Blinden den steilen Weg der Gämsen leuchten? Willst du der Sonne gleichen, die nicht fragt, wen sie am Strand der feisten Wänste bis zur Röte dampfen lässt? Bist du der Mensch ohne Pathos, der den Betrüger wie den Geprellten mit gleicher Münze bedient? Bist du der virtuose Quacksalber, dass sie zum Schinden schwarz-weißer Tasten den Wein des Lebens zu schlürfen glauben, der virtuose Alchemist, der mit klingender Gabel an morsche Särge rührt, knöchernen Händen Leben aus einer Prise Schnupftabak zu spenden? — Dann geh nur hinaus und übe dich in der Tugend, Perlen vor die Menschen zu werfen . . .."
Da draußen klimpern sie bloß für den Rest, den sie mit hundert Verbeugungen Publikum heißen. Willst du nach deren Geschmäckern wie einen Hund dich abrichten lassen? Willst du Grimassen studieren, welche die abgezehrten Frauenzimmer in brünstige Erwartung stürzen, ihre beschlagenen Brillen zu jedem Akkord wischen, damit keine Verrenkung deiner Lippen ihrem Auge entwischt? Willst du der virtuose Bettvorleger ihrer gedunsenen Bettnässer sein, der Aperitif zu anstehender Mast, wo das Konzert den trüben Mägen Besänftigung verspricht? — Mancher versteckte die Grube seiner Empfindung hinter glänzenden Gewändern und doch erroch der Hund, wo seine Impression zu Hause ist. Hübsch geputzt lauern sie nun in den Sitzen der Säle, erwarten zum Konzerte, der Virtuose möge das Elixier ihnen reichen, das frische Ohren aus ihren Schädeln wachsen lässt. So spende ihnen diese Ohren, auf dass die alten, hängenden Lappen, welche gleich zerknitterten Servietten nur noch zum Abwischen betrenzter Kinnladen benützt werden, ihre ursprüngliche Bestimmung wieder erfahren mögen . . ."
„Düstere Worte“, sprach Amadeus, „für den, der sein Publikum begeistern wollte. Nein, ich bin dem Pub-likum nicht gram. War es nicht Kunst und Musik, die zu entlegensten Triften mich führten, worüber ich gänzlich mein Publikum aus dem Auge verlor? — Nun sitze ich in meiner Höhe und schaukle auf mächtigem Aste, bis mir ein Vogel die Feder reicht, des Tages Laune in Musik zu setzen . . ."
Aus dem literarischen Hauptwerk "Triumph des Lebens" von Amadeus Wellenstein
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Die Orchester-Aufführung
Für das erste symphonische Werk aus meiner Feder ein klassisches Orchester auf die Bühne zu stellen, gleichsam auf eigene Faust sechzig Musiker zu den Proben zu bitten, (bei einer Probenzeit von sieben Tagen, 300 Euro pro Musiker und Tag) dazu wäre es nötig gewesen, 50 Jahre lang 200 Euro allmonatlich dem Sparbuche zuzuführen, um ein klassisches Spektakel von 25 Minuten die Krönung meines Leben nennen zu können. —
Um eine Aufführung meines Werkes mit Beginn meines Rentenalter noch zu erleben, hätte ich mit fünfzehn Jahren bereits die ersten Beträge den Sparschweinen überreichen müssen, um zu meinem Fünfundsechzigsten die Summe für das Orchester in Händen zu halten. Mit dem ersparten Vermögen — 126.000 Euro — an die Wiener – oder gar Londoner Symphoniker zu denken, wäre der Realität jedoch nicht angemessen gewesen, es wäre mir allenfalls gelungen, ein Orchester mittleren Ranges auf den Plan zu rufen. —
Die Aufführung meiner Symphonie stand in der Tat in einem absurden Verhältnis zu dem, was dafür erwirtschaftet werden mußte. Ein halbes Jahrhun-dert sparen, um 25 Minuten zu hören. —
Es hieß also, die Tugenden der Drücker-Kolonne sich aneignen, mit seinem Werk von Tür zu Tür die Glo-cken bedienen, vor irgendwelchen Autoritäten, Di-rektoren, Dirigenten sich verbeugen, seine Wünsche abseufzen, Trichter-Ohren um Gehör ersuchen, gleich den Kredit-Bedürftigen in flehendem Bitten sich be-kreuzigen, in der Hoffnung, unter ihnen eine Ge-fälligkeit zu erwirken.
Die Komik in diesen Bittsteller-Polonaisen entsprach den tollsten Karnevals-Schwänken, gesetzt, daß man dem Gaudium beizuwohnen sich hinzugesellte, um mit anzusehen, wie der Schaffende feisten Orchester-Vorständen seine Werke anzubieten hatte. — Zudem war die Geschmeidigkeit des Schmeichelns im Ver-zeichniss meiner Tugenden nicht zu finden, um mit unterwürfigen Komplimenten, galanten Knicksen, gemästete Konzert-Vorstände zu einer vorteilhaften Geste zu bewegen. Ich hatte wenig zu sagen. Mein Werk sprach für sich. Andere wären vielleicht klüger an die Orchesterleiter herangetreten, die ganze Liste der Bescheidenheit gefällig abgestottert, sich mehr-fach bekreuzigt, auf des Maestros teuerer Zeit zu sitzen, um alsdann ihr Werk zaghaft herauszu-rücken, gleichwie man einem Hund die Wurst gibt, von dem man schon einmal gebissen wurde . . .

Wellenstein
SYMPHONIE NR.I
Auszug aus der Partitur
Ich entsinne mich 1992 die Partitur eines meiner Konzerte („Letzter Gruss den alten Meistern“) dem damaligen Leiter des Münchner Amati-Orchesters vorgelegt zu haben. Er musterte die Partitur, blickte aus seinem Sofa schläfrig über die Tischkante und sprach: „Schön, aber das ist alte Musik. Sie müssen neue Wege gehen. Messiaen, Ligeti, Stockhausen: das ist die Zukunft.“ Ich entgegnete, im Sinne zeit-genössischer Musik ein neues Werk begonnen, das Winseln geprügelter Hunde bereits notiert zu haben, es wären der Rüden jedoch nur drei gewesen und fragte, ob er zum Vollenden des vierstimmigen Satzes sich zum Kastraten empor schwingen, die Sopran-Stimme hinzu winseln könne. Als er sich darüber empörte, der Kaffee ihm über die Kinnlade kroch, fügte ich hinzu, Jaulen und Trenzen sei in diesem Werk nicht nur erlaubt, sondern von jedem Köter erwünscht. Kreischenden Gelächters fiel das üppige Stimmwunder das mich begleitete, gleich durch die Tür, so dass wir dem Parzen die Mühe ersparten, uns hinaus zu werfen.
Je mehr Absagen ich erhielt, („Orientieren sie sich an Zeitgemässem.“) desto lustiger wurden meine Auf-tritte. Zu meinen letzten Gesuchen begleitete mich gar ein ganzer Schwarm, um sich das Gaudium nicht entgehen zu lassen. Ich musste überlegen, für die Belustigung oder für die Musik einzutreten, was beim Anblick des Dirigenten schon mit der ersten Pointe entschieden war.

Letzter Gruss den alten Meistern
Erste Seite der Partitur
Mit Witz sich über die Zeit retten, um am Ernst der Realitäten nicht zum Düsterlimg zu werden. — Instinktiv erriet ich die Mittel die notwendig waren, mich von jeglichen depressiven Desastern fern zu halten. Jedes Gaudium war mir willkommen, wenn es galt, schlechten Aussichten mit heiteren Farben zu winken. Ich hielt mich schadlos an allem, was meinen Mut entkräften wollte und hatte die lustigsten Einfälle, wenn es galt, aus eigener Kraft sich wieder aufzurichten. Niemand hat mich je klagen noch seufzen gehört. Ich war stets mein eigener Seelsorger, der weder Gott noch Trostsprecher nötig hatte, mit seinem Schicksal fertig zu werden. —
Den widrigen Umständen zum Trotz, die mein Musikerleben nicht selten auf harte Proben spannten, alle Art Schwermut vor meine Füße karrten, stieg es mir nie zu Kopf, die Musik beiseite zu lassen, in alte Bahnen des einstigen Berufes zurück zu kehren, eine bequemere Position einzunehmen. Mein Wille hing über mir wie ein Gesetz, unmöglich auszuweichen, beiseite zu schleichen, sich davon zu machen. Das meine Sachen nicht aufgeführt wurden, nahm ich hin wie der Bauer, dem sein Nutzvieh krepiert: man wartet, bis neues Vieh im Stall ist, also wartete ich auf neue Dirigenten . . .
The EastWest Hollywood Orchestra
Heute stehe ich in einer Position, welche vor dreißig Jahren nur der Traum hätte erringen können: zur Einspielung meiner Werke weder ein Orchester noch einen Dirigenten nötig zu haben. Die Bittsteller-Polonaisen, das widerwillige Aufmarschieren vor irgendwelchen Taktfilzen, die bedrückende Stimm-ung, die Partitur ungehört in der Schublade zu wis-sen, — das hatte seine Zeit.
Was mich mittlerweile unbekümmert macht, sobald ich an die Einspielung meiner Werke denke, ist ein willkommenes Ereignis, dem ich viele gute Stunden danke. Ein Orchester in dem es keine verdrießlichen Gesichter gibt. Kein Häuptling mit Taktstock, der nach dem Bierwärmer verlangt, keiner der an der Glocke zieht, sobald die Pöbelzeit – Pardon! Pro-benzeit zu Ende geht. Ein Orchester, vor dem man sich selber als Komponist, Dirigent und Musiker behaupten und beweisen muß, von der ersten Skizze bis hin zum vollständig erklingenden symphoni-schen Werk. Hier gibt es kein Gespräch mit Musikern und Taktschlägern, folglich keinen Ärger, keine Ent-täuschung, kein knirschender Abgang . . . Mit diesem Orchester ist man allein in der Welt der Musik, fern dem Geruch des Dirigenten, der Schweißfüße des Hornisten . . . Man hat sich separiert und doch: mit einem Male hört man Dinge, die man in einem Konzertsaal noch nie gehört hat. —

Als ich das erste Mal mit dem EastWest Hollywood Orchestra bekannt wurde, war meine Begeisterung sogleich am Platz. Ich jubelte und rief: jetzt können wir dem musikalischen Sibirien das ich durch-wanderte ordentlich einheizen. Die Mühen sind zwar beträchtlich, ein Orchester plastisch herauszu-bilden, der Vorteil gegenüber einem echten Orchester jedoch nicht hoch genug anzuschlagen. Man schafft sich die Dirigenten vom Hals, von deren Launen der Komponist bislang abhängig war.
Diese Taktwirte, nach deren Werke niemand fragt, weil es nichts von ihnen gibt (Man nenne mir die Symphonien von Karajan, Furtwängler, Kleiber, Böhm, Klemperer, Celibidache . . .) haben sich nur mit dem, was andere geleistet haben einen Namen gemacht. Sie sind die ersten, auf die im Orchester verzichtet werden kann, durch jeden erfahrenen Musiker zu ersetzen, von vielen Musikern gar als lästig empfunden. („Wir spielen und schwitzen. Was macht der Sack!“ – „Ich habe nichts verstanden. Nur Limburger gerochen.“ – Stimmen nach den Proben)
Welche Erleichterung, zu dergleichen Musikproben nicht anwesend sein zu müssen, geruhsam in heimischen Räumen die Stimmen der Partitur den Instrumenten zuzuweisen, um sogleich ein ganzes Orchester in den Ohren zu haben, dessen Klang bei guter Einspielung Dirigent und Musiker auf die hinteren Ränge entlässt, zumal die Ergebnisse jedes mittelmäßige Orchester übertreffen, das heißt die meisten Orchester.
Wellenstein versus Celibidache
SERGUE CELIBIDACHE
MÜNCHNER PHILHARMONIKER
Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr.I
(Ausschnitt Takt 1 -77)
AMADEUS WELLENSTEIN
EASTWEST HOLLYWOOD ORCHESTRA



Beethovens original Tempo-Angaben zur ersten Symphonie: Adagio molto = 88 (Einleitung) Alegro con brio = 112 (Hauptteil)
Aufführung Celibidache: Adagio molto = 65 - Alegro con brio = 76.
Was will uns das bedeuten? Richtig! Celibidache will Beethovens Symphonie als Schlafmittel umwerben, den raschen Schritt des Gewandten die schwerfällige Verdauung andichten, die leichten Füße des sym-phonischen Tänzers dem Schritt der Sargträger angleichen, endlich der Trägheit des Publikums sich gefällig erweisen.
Man sagt unter Celibidache hätten die Musiker mehr geprobt als unter jedem anderen Dirigenten. Richtig! Weil es in den Proben genauso langsam zuging wie bei der Aufführung Als Beispiel: Die 77 Takte aus Beethovens Symphonie dauern bei meiner Einspielung mit Beethovens Metronom-Angaben zwei Minuten. Bei Celibidache drei Minuten. Gesetzt die Zeit der Proben mit Beethovens Tempi liegt bei zwanzig Stunden, so sind es bei Celibidache dreißig Stunden. Das heißt, Celibidaches Musiker waren nicht fleißiger weil sie länger spielten, sondern nur langsamer. Fleißiger waren jene, die weniger probten . . .
Ein Bratschist meinte zu Celibicaches Lentissimo: „Der Bogen für die Viola muß erst erfunden werden, um mit einem Abstrich den Ton solange zu halten, bis der Maestro seine Meditation beendet hat.“ Oder wollte er mit Beethoven darauf hinweisen, in welchen Tempo er seine Suppe löffelt? Sah er Merkur den Götterboten im Haflinger-Trott durch die Gewächshäuser schleichen?
Es würde den Gipfel der Absurdität bedeuten, für die Einspielung eines meiner Orchesterwerke den Münchner Philharmonikern 120.000 Euro auf den Tisch zu legen, wenn für deutlich weniger als ein Hundertstel der Summe eine herausragende Einspielung mit dem EastWest Hollywood Orchester erreicht werden kann. Man muß ein geschultes Ohr haben, die feinen Unterschiede überhaupt noch herauszuhören, das Hollywood Orchester von einem echten Orchester zu unterscheiden. Das gleiche gilt für die Vienna-Symphonic-Library mit welcher in nachstehenden Szenen "Vivaldi - Der Herbst" und „Wellenstein versus Karajan“ zwei Beispiele geboten werden, meine Behauptung in jedem Betrachte musikalisch zu bekräftigen.

Wellenstein versus Karajan
Am Beispiel der Vier Jahreszeiten (Der Sommer - Dritter Satz) von ANTONIO VIVALDI
